“Politik ändert sich: Weg von den eingefahrenen Strukturen hin zu mehr Dialogen, Bürgernähe und zu einem Out-of-the-box-Denken.”

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Wie können Frauen erfolgreich Bürgermeisterwahlen gewinnen? Bei Sibylle Keupen, neue Oberbürgermeisterin in Aachen, stehen die Bürger*innen im Mittelpunkt. Im Wahlkampf und auf der politischen Agenda.

Interview vom 9. Oktober 2020 / Bild: Jo Magrean

Herzlichen Glückwunsch zu ihrem Wahlsieg! Uns würde interessieren: Was hat Ihnen im Wahlkampf um das Oberbürgermeisteramt am meisten geholfen?

Die unmittelbare Nähe zu den Bürger*innen. Ich bin sehr stark mit dem Thema Bürgerdialog in den Wahlkampf gegangen, auch durch meinen Bürger*innen-Treff in der Innenstadt. Das war auch genau die richtige Entscheidung, nahe bei den Menschen, unmittelbar ansprechbar und auch schon sehr früh auf der Straße zu sein. Von Anfang haben die Menschen unsere ‚Stadtwerkstatt‘ sehr gut angenommen, dort ihre Themen platziert und ihre Anliegen formuliert.

Ein zweiter Erfolgsfaktor war, dass wir – auch coronabedingt – auf digitale interaktive Formate umgestellt haben. Eines davon hieß: ‚Auf eine Tasse Tee mit Sibylle Keupen‘. Das fand alle zwei Wochen am Sonntagnachmittag statt und umfasste eine Diskussion mit drei Gesprächspartner*innen zu verschiedenen Themenfeldern: Wirtschaft, Kultur, Soziales. Ein anderes hieß: ‚Keupen will’s wissen‘: Gespräche mit Menschen aus der Stadtgesellschaft zu Themen, die relevant sind, wie etwa Stadtplanung oder die Situation von Künstler*innen.

Wir haben Social Media auch genutzt, um das Persönliche politisch zu machen. Das suchen gerade viele junge Menschen: Politiker*innen zum Anfassen. Was frühstücke ich? Wo bin ich gerade kulturell unterwegs? Dadurch wurde die Bürgernähe in den digitalen Raum übersetzt. Darüber habe ich auch andere Zielgruppen ansprechen können: Frauen und junge Menschen. Vor der Stichwahl haben wir Insta-Life-Geschichten gestartet: Jeden Abend um 20.15 Uhr: Für Insta-Life und Facebook-Life habe ich vor meinem Laden gesessen und mit Menschen online und auf der Straße diskutiert. Das war sehr spannend und abwechslungsreich.

 Für viele Bürger*innen war wichtig, dass ich von außen komme und eine Kandidatin der Bürgerschaft bin, eine Quereinsteigerin, unbelastet von der politischen Historie. Durch meine Wahl wurde der Wunsch nach einer Repräsentanz der Bürgerschaft an der Spitze der Stadt sehr deutlich. Auch das Votum eines Perspektivwechsels, einer neuen Weise, die Dinge anzugehen. Politik ändert sich. Weg von den eingefahrenen Strukturen hin zu mehr Bürgernähe, zu einem Out-of-the-box-Denken. Wir wollen Transformation über einen Dialog mit der Stadtgesellschaft anschieben. Dafür stehe ich als Person. Das habe ich auch im Wahlkampf sehr klar gemacht und das ist an der Stelle honoriert worden.

Das war ein breites Spektrum von Methoden und von Themen in Ihrem Wahlkampf. Wenn Sie im November beginnen: Worüber werden Sie Ihre ersten Reden als Oberbürgermeisterin halten?

Es wird ein Kurzprogramm sein, über das ich am Anfang sprechen werde. Da werde ich konkrete Dinge anbieten. Es ist ein Programm der kleinen konkreten Schritte, das an dem Spruch ansetzt, der mich schon in den 1980er Jahren sehr geprägt hat: Viele kleine Schritte können die Welt verändern. Ich glaube, heute ist das wichtiger denn je. Den großen Plan „Aachen 2050“, eine große Vision von Aachen, möchte ich mit der Bürgerschaft gemeinsam entwickeln. Ich möchte in überschaubaren Projekten und Experimentierräumen Dinge auf den Weg bringen: sei es in der Mobilitätsfrage, sei es beim Thema Stadtplanung. Immer unter Beteiligung der Bürgschaft, etwa in einem Bürgerrat, der zum Thema Verkehr die verschiedenen Akteure zusammenbringt.

Auch planen wir, das Thema Klimawandel unter dem Stichwort ‚Integriertes Klima‘ auf die lokale Ebene zu bringen. Es ist im Moment so, dass die Stadt Aachen noch nicht mal den Schwund von Bäumen ausgleichen kann. Geschweige denn, die Bäume, die wir zusätzlich in der Stadt pflanzen wollen, um das Klima hier zu verbessern, hinzubringen. Das ist ein Vorhaben, das wir jetzt im Herbst mit großer Kraft anpacken werden.

Welches Projekt ist aus Ihrer Sicht für die Frauen in Ihrer Kommune besonders wichtig?

Für die Frauen ist es erstmal wichtig, dass sich die Kultur ändert und Frauen sichtbarer werden. Das ist mit mir als Oberbürgermeisterin schon mal gelungen. Das wird seinen Niederschlag in meinem Team finden, dem Team, mit dem ich inhaltlich arbeite, mit dem ich die Zukunftsaufgaben anpacken werde. Auch der Verwaltungsvorstand ist jetzt weiblich – nicht 100 Prozent, aber es sind mehr Frauen als Männer präsent.

In meinem Büro wird es mehr Teilzeitmodelle geben, also familienfreundliche Arbeitsstrukturen. Mit dem Gleichstellungsbüro werde ich gemeinsam das Thema Sprache in Verwaltung auf den Weg bringen: ‚Wie gendern wir?‘

Ich werde das mit aller Kraft in der Verwaltung umsetzen, wobei das aber auch etwas Fingerspitzengefühl braucht. Ich habe erfahren, dass durch meine Vorgabe, dass jetzt überall ‚Oberbürgermeisterin‘ verwendet wird statt ‚Der Oberbürgermeister‘, dazu führt, dass jetzt Paletten von Briefumschlägen, die noch mit ‚Oberbürgermeister‘ betitelt sind, weggeschmissen werden. Das kann natürlich auch nicht sein. Da muss ich genau hingucken, weil solche Veränderungen praktische Konsequenzen bis in die Tiefen der Verwaltung haben.

Ein weiteres Projekt ist auch, dass ich Frauen stärker vernetzen möchte, Frauen in entscheidenden Positionen. Ich möchte ein Netzwerk starker Frauen in Aachen unterstützen, damit Frauen stärker an der Gestaltung der Stadt beteiligt sind und da ein Äquivalent zu den traditionellen Männernetzwerken entwickeln.

Das ist ein gutes Stichwort: Vernetzung. Vernetzung ist ein wichtiger Bestandteil des Mayoress-Programms der EAF Berlin, in dem wir die Bürgermeisterinnen aus vielen Ländern zusammenbringen. Was können Frauen als Bürgermeisterinnen in der Europäischen Union für die Gleichstellung, aber auch für die gemeinsamen Werte tun?

Es ist wichtig, dass wir uns als Bürgermeisterinnen verbinden und stärken. Auch die Wahlen in Frankreich waren sehr grün und feministisch. Ich hatte den Wunsch, die Bürgermeisterin von Straßburg zu meiner Amtseinführung einzuladen als Speakerin. Um auszustrahlen, dass wir uns gegenseitig stärken und das Thema Gleichstellung auch in Europa höher auf die Agenda setzen. Wir brauchen zudem Quotierungen an allen Stellen, wo Frauen nicht durch die gläserne Decke kommen

Das kann ich aus unseren Erfahrungen heraus bestätigen: Das ist in Frankreich, Polen und Österreich, den Ländern, die bei Mayoress dabeihaben, ähnlich. Auch wenn es natürlich einige Unterschiede in puncto Paritätsgesetzte und Wahlrecht gibt.

Ich bin ja derzeit noch Vorsitzende des Frauennetzwerks hier in der Städteregion. Wir haben eine Auswertung der Kommunalwahlen gemacht. Das Ergebnis ist, dass zum Beispiel der Stadtrat in Aachen jetzt mit 45 Prozent so weiblich wie nie ist. Aber das Entscheidende ist: Sind Frauen in den Entscheidungsgremien angemessen vertreten? Bei den Oberbürgermeister*innen sind wir mit 10 Prozent deutlich unterrepräsentiert. Da müssen wir noch ganz viel tun, damit Frauen gleichberechtigt an der Macht teilhaben.

 

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Interview mit Beata Klimek - Bürgermeisterin in Ostrów Wielkopolski, Polen.

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"Wierzę w siłę sprawczą zmiany na lepsze. Od bardzo wczesnych lat angażowałam się w wolontariat.”