Die Situation in Frankreich
In Frankreich wurde aufgrund des bereits 2000 verabschiedeten Paritätsgesetzes (mit Vorschriften zu paritätischen Besetzung von Wahllisten mit Männer und Frauen) der Anteil von Frauen in den Stadt- und Gemeinderäten auf deutlich über 40 % gesteigert. Obwohl das Gesetz nicht für die Wahlen zum Bürgermeisteramt gilt, entfaltete es auch dort positive Wirkung: aktuell sind knapp 20 % der Bürgermeister*innen Frauen, damit liegt ihr Anteil rund doppelt so hoch wie in Deutschland. Unter der aktuellen Regierung erlebte das Thema Gleichstellung von Männern und Frauen (gleiche Bezahlung, Schutz vor sexualisierter Gewalt, Sexismus in der Werbung etc.) einen erneuten Schub und wird als Angelegenheit von nationaler Bedeutung behandelt („grande cause nationale“).
Historische Entwicklung
Trotz einer langen republikanischen und revolutionären Tradition war es um die politische Teilhabe von Frauen nicht gut bestellt. Erst 1944 wurde das aktive und passive Wahlrecht für Frauen eingeführt; bis in die 90er Jahre hinein lag der Frauenanteil in der Nationalversammlung unter 10 %. Trotz einer sehr aktiven Frauenbewegung und zahlreicher gesellschaftlicher Reformen erwies sich das politische System als überaus schwerfällig, die Unterrepräsentanz von Frauen zu beenden.
In Frankreich gingen der Einführung des „Loi sur la parité“ Jahre intensiver und kontroverser Debatten der politischen und gesellschaftlichen Akteure voraus. Bereits 1982 hatte der Verfassungsrat ein Reformgesetz zur Wahl der Gemeinderäte für ungültig erklärt. Das Gesetz hatte eine 25-prozentige Quote für Frauen auf den Listen für Kommunalwahlen in Gemeinden mit mehr als 3.500 Einwohner*innen vorgesehen. Der Verfassungsrat berief sich auf den Grundsatz der Gleichheit vor dem Gesetz, dem eine „Aufteilung nach Kategorien von Wählern und wählbaren Kandidaten“ entgegenstehe sowie auf den Grundsatz des Universalismus. Das Gesetz verstoße gegen Artikel 3 der französischen Verfassung und Artikel 6 der Erklärung der Menschen- und Bürgerrechte. Die Befürworter*innen der Parität in den Parlamenten erkannten, dass nur eine Änderung der Verfassung den Weg für gesetzliche Regelungen ebnen würde.
Liberté, Egalité, Parité
Tatsächlich wurde die Verfassung 1999 ergänzt: Der Artikel 3 sieht nun vor, dass „der Staat die gleiche Teilhabe von Frauen und Männern an Ämtern und Mandaten fördert“. 2001 trat das „Gesetz zur Förderung des gleichen Zugangs von Frauen und Männern zu Wahlmandaten und Wahlämtern“ in Kraft. Frankreich war damals das erste Land in Europa, das eine Gesetzgebung über das Prinzip der paritätischen Vertretung von Frauen und Männern einführte. Es beruht grundlegend auf dem Prinzip der „Égalité“ und der Überzeugung, dass gleiche staatsbürgerliche Rechte und Pflichten auch die gleiche Partizipation der Bürgerinnen und Bürger an politischer Macht beinhaltet.
Für Listenwahlen nach Verhältniswahlrecht sieht das französische Parité-Gesetz eine paritätische Besetzung der Wahllisten mit Frauen und Männern vor. Das betrifft die Wahlen der Kommunalvertretungen und des Europaparlaments sowie seit 2003 die Regionalräte. Als wirkungsvolle Sanktion hat sich die Zurückweisung der Listen erwiesen, wenn den Vorgaben nicht entsprochen wird.
Anders verhält es sich auf der nationalen Ebene, wo ausschließlich Direktmandate vergeben werden. Hier sind die Parteien aufgefordert, insgesamt die gleiche Anzahl von weiblichen und männlichen Kandidaten in den Wahlkreisen aufzustellen, ansonsten drohen den Parteien Abstriche bei der staatlichen Erstattung von Wahlkampfkosten. Doch jahrelang nahmen die großen Parteien (Sozialisten wie Bürgerliche) lieber Einbußen in Millionenhöhe in Kauf, als paritätisch Frauen und Männern aufzustellen. Dies änderte sich erst mit der neuen Bewegung von Emmanuel Macron, die sich an die gesetzlichen Vorgaben hielt. Aktuell liegt der Anteil der Frauen in der Assemblée Nationale bei 38 Prozent.
Seit 2001 wurde das Gesetz kontinuierlich weiterentwickelt sowie seit 1995 eine unabhängige Beobachtungsstelle eingerichtet, das „l’observatoire sur la parité“, welche zur Aufgabe hat, die Umsetzung des Gesetzes aktiv zu begleiten. Auch wurden zahlreiche Schulungs- und Qualifizierungsmaßnahmen für Frauen auf kommunaler und regionaler Ebene durchgeführt.
Eine wichtige Neuerung wurde 2015 eingeführt: für die Wahlen zu den Départementsräten wurden die Parteien verpflichtet, jeweils ein Tandem aus Frau und Mann aufzustellen (binôme Prinzip). Zuvor war die Anzahl der Departements halbiert worden. Die Räte sind nun paritätisch besetzt.
Weiterentwicklung der repräsentativen Demokratie
Trotz dieser Erfolge sehen Wissenschaftler*innen und Aktivist*innen weiterhin großen Bedarf, die politische Kultur in Frankreich zu verbessern und das parteipolitische Engagement für Frauen attraktiver zu gestalten. Dies wird zunehmend auch als Aufgabe der männlichen Parteimitglieder angesehen. Letztlich geht neben der Frage der Gleichberechtigung auch um die Weiterentwicklung und Reformfähigkeit des politischen Systems, das nach wie vor von Zentralismus und der starken Stellung des Präsidenten geprägt ist.
Zahlen, Fakten, Informationen zum Weiterlesen
Aktuelle Empfehlungen an die künftigen Kommunalparlamente, Darstellung der Unterrepräsentation von Frauen in der Politik finden Sie hier (auf Französisch).
dokdoc.eu: 20 Jahre französisches Paritätsgesetz – Ein wichtiger Impuls, aber Parität ist noch lange nicht erreicht! Mit Statements zu Frauen in der Kommunalpolitik von Cécile Weidhofer, EAF-Director und Mitwirkende im Projekt Mayoress.