Keine Trendwende in Sicht

Getty Images/Hinterhaus Productions

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Eine Auswertung der Ergebnisse der bayerischen Kommunalwahlen nach Geschlecht zeigt, dass Frauen in der Kommunalpolitik nach wie vor stark unterrepräsentiert sind. Um dies zu ändern, sind zuallerst die Parteien gefordert. Es braucht einen politischen Kulturwandel.

Von Dr. Helga Lukoschat, Vorsitzende der EAF Berlin

Chef oder Chefin des Rathauses zu sein: mehr denn je ist dies eine herausfordernde Aufgabe. Die Krisen und Ausnahmesituationen, aktuell die Covid-19-Pandemie, werden nicht weniger und wollen ganz konkret und vor Ort gestemmt sein. Viel zu viele Bürgermeister*innen berichten darüber hinaus, dass sie in der realen wie in der virtuellen Welt immer mehr Anfeindungen oder Drohungen erfahren. 

Und dennoch sind die Allermeisten von ihnen nach wie vor von ihrem „Job“ zutiefst überzeugt. Weil er so nah an den Bürgerinnen und Bürgern ist, weil Dinge gestaltet und bewegt werden können, weil es so eine große Vielfalt an Tätigkeitsfeldern, Begegnungen, Möglichkeiten gibt. Doch es gibt ein großes Manko: nach wie vor ist der Anteil der Frauen in diesen Ämtern viel zu gering. Rund 90 Prozent der Rathäuser werden weiterhin von Männern regiert. Lange Zeit fiel dieses Ungleichgewicht nicht weiter auf – es war halt immer so – doch mit dem Jubiläum 100 Jahre Frauenwahlrecht und der gestiegenen medialen Aufmerksamkeit für die Rolle der Frauen in der Politik, hat sich das endlich geändert.

So spielte in der Kommunalwahl in Bayern das Thema durchaus eine Rolle: Vor allem der Wettbewerb in der Landeshauptstadt München zwischen dem amtierenden SPD-Bürgermeister und seiner jungen Herausforderin von der CSU weckte breites Interesse. Nun wissen wir, dass Dieter Reiter weiterhin im Amt ist. Doch wie sieht es bayernweit aus? Die EAF Berlin hat die Zahlen des Statistischen Landesamtes in Bayern ausgewertet und eigene Auszählungen vorgenommen. 

Vorab: Es hat sich enttäuschend wenig getan.

Bei den 29 Großen Kreisstädten hat sich das Bild leicht verbessert. Gab es 2014 keine einzige Frau als Rathaus-Chefin, so sind es jetzt immerhin drei: Doris Baumgartl (UBV) in Landsberg am Lech, Katrin Albsteiger (CSU) in Neu-Ulm und Dr. Claudia Alfons (unabhängige Kandidatin) in Lindau. Der Anteil liegt bei 10 Prozent.

In den 25 kreisfreien (Groß)Städten hat sich die Anzahl der Männer und Frauen als Bürgermeister*innen hingegen nicht verändert. Wie vor sechs Jahren schafften es lediglich drei Frauen gegenüber 22 Männern: Eva Weber (CDU) in Augsburg, Eva Döhla (SPD) in Hof und Gertrud Maltz-Schwarzfischer (SPD) in Regensburg. Dieses Ergebnis entspricht einem Anteil von 12 Prozent. Jedoch fiel bei den 206 kreisangehörigen Gemeinden (mit über 10.000 Einwohner*innen) der Anteil sogar von 11,6 auf 9,7 Prozent. 186 männliche Amtsinhaber stehen gerade einmal 20 Frauen gegenüber.

Bei den Landkreisen wiederum ist eine leicht positive Entwicklung zu beobachten: in den 64 bayerischen Landkreisen, in denen 2020 gewählt wurden, schafften es sechs Frauen in das Amt. Von den 71 Landkreisen werden also nun sieben von Frauen geführt (10 Prozent), zuvor waren es 7,1 Prozent.

Aber auch dies läutet bei weitem keine Trendwende ein. Dabei hatte sich in den vergangenen Jahren u.a. der Bayerische Gemeindetag der Sache angenommen; es bildete sich u.a. ein bayernweiteres Netzwerk der Bürgermeisterinnen zur gegenseitigen Unterstützung, auf diversen Veranstaltungen wurde darüber debattiert. Warum geht es dennoch nicht voran? 

Wie unsere Studie „Frauen führen Kommunen“ zeigt, kommen hier mehrere Faktoren zusammen. Es existieren weiterhin gesellschaftliche Hürden, die es Frauen schwerer machen, Familie, Beruf und politische Karriere unter einen Hut zu bringen. Doch die Rollenbilder wandeln sich und den Frauen fehlt es nicht an Qualifikation und Ambition. Das Problem sind vor allem die Praktiken der Parteien, die in der Ansprache und Motivierung, in dem was man das „Aufbauen“ von Kandidaten nennt, eher in den vertrauten Mustern und Netzwerken agieren und dabei direkt oder indirekt Männer als Kandidaten bevorzugen.
 
Dazu kommt: Der oder die Bürgermeisterin wird direkt ins Amt gewählt. Es kann immer nur eine Person werden und entsprechend hoch ist die Konkurrenz – auch innerhalb der eigenen Partei.  Auch international ist belegt, dass in Wahlsystemen mit Direktwahl die Unterrepräsentanz von Frauen am größten ist. 

Wie unsere oben genannte Studie eindrucksvoll zeigte, kommen Frauen vor allem dann zum Zug, wenn der „Karren im Dreck“ steckt, wenn kein anderer es machen will, oder die Situation als aussichtslos gilt, weil der Amtsinhaber als zu stark erscheint.

Die Preisfrage lautet: Hätte die CSU in München auch eine Frau nominiert, wenn die Chance, den SPD-Mann zu schlagen, eine reale Größe gewesen wäre?

Was also ist zu tun? In allererster Linie sind die Parteien gefordert. Sie müssen kontinuierlich für mehr Frauen als Mitglieder werben und ihnen dann aber auch reale Chancen für ein politisches Amt geben. Qualifizierte Frauen gibt es zuhauf – in den zivilgesellschaftlichen Organisationen und Vereinen, in den Anwaltspraxen, Firmen und natürlich auch in der Verwaltung selbst. Es geht darum, Frauen gezielt anzusprechen und zu unterstützen und zwar nicht erst, wenn die nächste Wahl vor der Tür steht, sondern rechtzeitig und vorausschauend.

Es bedarf dafür jedoch umfassender Gleichstellungskonzepte, die von der Parteiführung gewollt und aktiv getragen, sich in die Orts- und Kreisverbänden hinein verbreiten und vor Ort umgesetzt werden müssen. Die Orts- oder Kreisverbände können dabei durchaus mit Anreizen gelockt und unterstützt werden, wie zum Beispiel finanziellen Mitteln aus der Parteikasse für die Wahlkämpfe von weiblichen Kandidaten. Begleitet werden sollten diese Anstrengungen von öffentlichkeitswirksamen Kampagnen, die nicht zuletzt auf einen Bewusstseinswandel bei der männlich dominierten Mitgliedschaft in den Parteien abzielt. Denn das Nadelöhr für Frauen bildet letztlich die Wahlversammlung, in der die Mitglieder oder Funktionäre, mehrheitlich Männer, über die Nominierung entscheiden. Es muss deutlich werden, dass keine Partei mehr auf die Potenziale von Frauen verzichten kann und darf, ganz abgesehen, dass gleichberechtigte Repräsentanz von Frauen in politischen Führungspositionen ein Gebot der Demokratie ist.

Und schließlich ist auch die gute, alte Quote als Mittel zu nennen: die Hälfte der Parteiämter und die Hälfte der Listenplätze auf den Wahllisten sollte verbindlich mit Frauen besetzt werden. Auch Zielvorgaben für Direktmandate sind denkbar.

Oder eine ganz revolutionäre Idee: Wie wäre es künftig mit weiblich-männlichen Doppelspitzen in den Rathäusern? Ein gutes Team kann sich Arbeit, Aufgaben und Anerkennung teilen. Wie heißt es: geteiltes Leid ist halbes Leid, geteilte Freude ist doppelte Freude. 

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